Seiteninhalt
5 Fragen an Anna-Theresa Korbutt
Erzählen Sie uns von Ihrem beruflichen Einstieg in die Mobilitätsszene! Was motiviert Sie, in dieser Branche zu arbeiten?
Wie so oft im Leben war ein kleines Ereignis mit großer Wirkung der Anfang: Im Bordbistro der Deutschen Bahn (DB) fiel das Glas meines Tischnachbarn bei einer Vollbremsung des Zuges um, der Inhalt ergoss sich auf meine Kleidung. Wie der Zufall es wollte, war mein Tischnachbar der stellvertretende Leiter des Inhouse Consulting der DB. Wir kamen ins Gespräch. Und das war mein Einstieg in die Mobilitätsbranche, denn er konnte mich dafür begeistern, bei der DB anzufangen. Und das habe ich nie bereut. Mobilität birgt noch so viel Potenzial, das lange Jahre einen Dornröschenschlaf gehalten hat. Man kann dort gemeinsam so viel bewegen und Menschen von einfacher, bezahlbarer öffentlicher Mobilität begeistern. Das Deutschlandticket hat schon sehr vieles davon zum Leben erweckt und gezeigt, was möglich ist. Und das ist nur der Anfang.
Können Sie uns von Ihren Erfahrungen als Frau in der Mobilitätsbranche berichten? Wie kann die Branche Ihrer Meinung nach mehr Frauen ermutigen und unterstützen, wirtschaftliche und technische Führungspositionen im Mobilitätssektor zu übernehmen?
Wie in anderen Branchen gehört auch im Mobilitätssektor ein gesundes Selbstbewusstsein dazu, um sich von Anfang an zu behaupten und Veränderungen anstoßen zu können. Doch die Branche profitiert, denn Frauen sehen Mobilität in vielerlei Hinsicht mit anderen Augen und bringen damit neue und andere Impulse und Perspektiven ein. Dies, gepaart mit Fachkenntnis, interdisziplinärem und kreativem Denken sowie Engagement und Leidenschaft für die Sache, bringt die Branche definitiv nach vorn. Die Mobilitätsbranche ist sehr vielseitig und zukunftsfähig und bietet so viele Chancen mit Blick auf die Entwicklung intelligenter Verkehrssysteme, innovativer Mobilitätsdienstleistungen und umweltfreundlicher Lösungen und Fahrzeuge. Ich kann Frauen nur ermutigen, dort Fuß zu fassen.
Der öffentliche Verkehr entwickelt sich ständig weiter. Welche Innovationen oder Entwicklungen sehen Sie für die Zukunft des ÖPNV, insbesondere des Busverkehrs, voraus? Wie werden diese den veränderten Bedürfnissen und Präferenzen der Fahrgäste gerecht?
Hamburg verfolgt die klare Strategie, alle Busse auf emissionsfreie Antriebe umzustellen, bereits jetzt sind mehrere hundert E-Busse im Einsatz. Bis 2030 wird in Hamburg eine komplett emissionsfreie Busflotte auf den Straßen unterwegs sein – Stichwort komplette Elektrifizierung und Fortentwicklung alternativer Antriebe. Mit Blick auf die Frage, wie erneuerbare Energien in der Mobilität eingesetzt werden können, wird sich in den nächsten Jahren noch viel entwickeln. Auch die Entwicklung autonomer Fahrzeugtechnologie schreitet voran und wird den ÖPNV nachhaltig beeinflussen. Autonome Fahrzeuge und Busse werden zukünftig zuverlässige, regelmäßige Anschlüsse gewährleisten und flexible Routen ermöglichen, die auf die aktuelle Nachfrage abgestimmt und damit ein wesentlicher Faktor auf dem Weg zum Hamburg-Takt sind. Weitere Innovationen und Entwicklungen sehe ich in der nachhaltigen und komfortablen Gestaltung von Fahrzeugen, in intelligenten Verkehrsleitsysteme, im weiteren Ausbau flexibler On-Demand-Services und, last but not least, in fortschreitender Digitalisierung auf allen Ebenen.
All diese Faktoren zusammengenommen werden zu nahtloser Verknüpfung von verschiedenen Verkehrsmitteln – Bussen, Bahnen, Fahrrädern, Fähren, Sharing-Anbietern – und damit zu allzeit verfügbarer multimodaler Modalität führen, deren Nutzung so einfach ist, dass man überhaupt nicht darüber nachdenken muss, wie man von A nach B kommt. Und das ist ÖPNV at its best.
Autonomes Fahren hat das Potenzial, die Mobilitätsbranche zu revolutionieren. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Vorteile und Herausforderungen im Zusammenhang mit der breiten Einführung autonomer Fahrzeuge, insbesondere in Bezug auf den autonomen Bus- und Shuttleverkehr?
Da in autonom gesteuerten Fahrzeugen perspektivisch kein Personal mehr an Bord gebraucht wird – aktuell ist stets mindestens noch ein Begleiter dabei, der im Zweifel eingreifen kann – sind Verkehrsleistungen künftig rund um die Uhr flexibel verfügbar. Auch in Zeiten, in denen die Fahrzeuge nicht von Fahrgästen genutzt werden, muss kein Fahrer im Fahrzeug warten. Der Dienst kann somit auch in der Fläche breit vorgehalten werden. Herausforderungen: Die Fahrzeuge müssen auch bei höheren Geschwindigkeiten ein sicheres Fahrverhalten an den Tag legen, zum Beispiel bei Überlandverkehren zwischen Ortschaften auf der Landstraße im Mischverkehr. Hamburg hat sich vorgenommen, bis 2030 bis zu 10.000 autonome Fahrzeuge einzusetzen und in das Preis- und Vertriebssystem des hvv zu integrieren, ein Quantensprung für klimafreundliche und allzeit verfügbare Mobilität.
Autonome Fahrzeuge bieten die große Chance, die ÖPNV-Erschließung im Umland, in ländlicheren Räumen und Randbereichen, deutlich zu verbessern und damit für eine viel umfassendere Anbindung per öffentlicher Mobilität in der Fläche zu sorgen. Aber auch im verdichteten städtischen Bereich werden sie als sinnvolle, bedarfsgerechte Ergänzung zum klassischen ÖPNV unentbehrlich werden, um zum Beispiel in den Nebenverkehrszeiten und 24/7 ein besseres, nachhaltiges Verkehrsangebot möglich zu machen.
Welchen Beitrag kann das Deutschlandticket zur Reduzierung der CO2-Emissionen leisten? Wie wirkt es sich auf die Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsmitteln aus?
Das Deutschlandticket ist ein Erfolgsmodell, das in weiten Teilen Deutschlands zu einer grundlegenden Verhaltensänderung der Menschen in ihrer Mobilität und nicht nur im hvv zu einem Fahrgast- und Abo-Rekord geführt hat. Befragungen unter den Neukundinnen und -kunden haben ergeben, dass 24 Prozent der im Juni mit dem Deutschlandticket unternommenen Fahrten ohne dieses Ticket mit dem Auto unternommen worden wären. Im Ergebnis bedeutet das: Das hvv-Deutschlandticket steht nicht nur für mehr Fahrgäste im ÖPNV, sondern auch für weniger Autoverkehr auf den Straßen. Das Deutschlandticket stärkt den öffentlichen Nahverkehr wie nie zuvor, obwohl nach wie vor viele Fahrtanlässe durch Homeoffice entfallen. Allein im hvv haben wir aktuell fast 300.000 Neukund*innen zu verzeichnen.