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5 Fragen an Dr. Kerstin Wendt
Erzählen Sie uns etwas über Ihren Weg in die Mobilitätsbranche. Was hat Sie bewegt, bei Women in Mobility (WiM) mitzumachen?
Nach meinem Studium der Informatik in Passau und Barcelona hat sich durch Zufall der Berufseinstieg bei der IVU Traffic Technologies AG ergeben. Dort habe ich meine Leidenschaft für den Mobilitätsbereich entdeckt, insbesondere für den ÖPNV. Seit über zwölf Jahren bin ich nun in der Branche und möchte keinen Tag missen. Ich habe noch nie in meinem Leben ein eigenes Auto besessen, im urbanen Umfeld ist das tatsächlich nicht nötig, auch nicht mit Kindern. Ich liebe es an Lösungen zu arbeiten, die ich jeden Tag selbst nutzen, anfassen und ausprobieren kann. Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn bereits komplexe Systeme für Verkehrsunternehmen implementiert, die Fahrpreise im VBB mit den Vertreter:innen der Bundesländer und Verkehrsunternehmen verhandelt und kümmere mich aktuell um das wichtige Thema Fahrgastsicherheit. WiM war für mich bereits sehr zeitig ein natürlicher nächster Schritt. In Deutschland sind aktuell nur rund 20 Prozent der Beschäftigten im Mobilitätsbereich weiblich. Wir wissen jedoch aus verschiedenen Studien, dass Frauen und andere Nutzergruppen wie Kinder, mobilitätseingeschränkte Personen und ältere Menschen andere Bedürfnisse an Mobilität haben als der klassische männliche Pendler. Daher ist es wichtig, dass wir uns mit unseren Perspektiven einbringen und genau an den Tisch setzen, an dem die Entscheidungen getroffen werden. Dafür mache ich mich seit über acht Jahren bei WiM stark, aktuell in der Leitung des Hubs Berlin mit anderen tollen und starken Frauen aus der Branche.
Welche Rolle spielen Frauen in der Mobilitätsbranche, und wie kann das Netzwerk Women in Mobility dazu beitragen, mehr Diversität und Gleichberechtigung in diesem Bereich zu fördern?
Frauen sind als Nutzerinnen im ÖPNV überrepräsentiert und als Entscheiderinnen im gleichen Bereich deutlich unterrepräsentiert. Das passt nicht zusammen. Es ist hinreichend belegt, dass verschiedene Nutzergruppen verschiedene Mobilitätsbedürfnisse mitbringen. Wir machen uns daher bei WiM für eine inklusive Mobilität für alle stark. Es geht nicht darum, dass System nur für Frauen sicherer und komfortabler zu gestalten, sondern Verbesserungen kommen allen zugute. Das wird in Diskussionen oft unterschlagen. Ich war gerade für die GIZ in Mexiko unterwegs und durfte unser Netzwerk vorstellen und mit spannenden Personen die Wirkkraft von Netzwerken und diversen Sichtweisen diskutieren. In Chile zum Beispiel ist es etablierter Standard, dass bei Vergaben von Buskonzessionen eine Quote von weiblichen Fahrerinnen vorgegeben wird. Mit Hinblick auf die vielen sexuellen Übergriffe im ÖPNV in Lateinamerika eine von vielen Maßnahmen auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung.
Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für Frauen, die in der Mobilitätsindustrie tätig sind, insbesondere im Hinblick auf Führungspositionen und Karriereentwicklung?
Ich sehe vielfältige Herausforderungen, die mit der Bekämpfung des Fachkräftemangels beginnen, über einen empathischen Führungsansatz bis hin zu gesellschaftlicher Verantwortung reichen. In all diesen Bereichen können Frauen neue Perspektiven einbringen und die klassischen vorherrschenden Ansichten mit neuen Ideen anreichern. Wichtig ist mir, dass kein Gegeneinander entsteht, sondern dass es nur als Miteinander geht. Ich bin ostdeutsch sozialisiert und für mich war immer klar, dass ich mich mit meiner Meinung einbringe und gehört werde. Hier sehe ich auch meine Aufgabe als Role Model, Frauen mögliche Wege aufzuzeigen. Diese Role Models heißt es innerhalb von Unternehmen aber auch darüber hinaus in Netzwerken wie WiM sichtbar zu machen.
Wie können Unternehmen und Organisationen aktiv dazu beitragen, eine inklusive und diverse Arbeitsumgebung in der Mobilitätsbranche zu schaffen?
Hier bedarf es ganz allgemeiner Maßnahmen wie Möglichkeiten zu flexibler Arbeitszeit, Teilzeit und Jobsharing, alles natürlich auch für Führungskräfte, sowie klarer Entwicklungsmöglichkeiten und Karrierewege. Gerne auch eine aktive Ansprache der Frauen, falls sie diese Möglichkeiten für sich selbst nicht ergreifen. Wir benötigen manchmal etwas Zuspruch und externe Unterstützung, wachsen dann aber über uns hinaus. Auch mit Mentoring Angeboten, firmenintern oder -extern, haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Speziell in Bereichen wie Werkstatt, Fahrbetrieb oder Produktion sollte es selbstverständlich sein, dass es Toiletten für Frauen gibt, gerne mit durch den Arbeitgeber bereitgestellten Artikeln für die Monatshygiene, sowie angepasste Dienstkleidung für die weiblichen Kolleginnen.
Könnten Sie uns einen Einblick in das kommende Panel geben, das Women in Mobility auf der BUS2BUS Deep Dive Stage am 25. April organisieren wird? Welche Themen werden diskutiert und welche Experten werden daran teilnehmen?
Women in Mobility ist zum ersten Mal auf der BUS2BUS dabei. Das Netzwerk vereint Expert:innen, die moderne und nachhaltige Mobilität in ihren Jobs aktiv gestalten. In dem Panel und der anschließenden Diskussion geht es thematisch um Nachhaltigkeit, Nachnutzungskonzepte und Sondernutzungskonzepte. Wir werden mit Fachleuten sprechen, die Batterien von E-Fahrzeugen ein zweites Leben geben und so die Kreislaufwirtschaft fördern. Außerdem wollen wir über alternative Nutzungsmöglichkeiten von Gefäßen sprechen. Was passiert mit Fahrzeugen, wenn diese aus dem operativen Betrieb ausrangiert werden? Bei all dem Hype um neue Technologien dürfen wir auch diese Themen nicht aus dem Blick verlieren, da sie uns sonst spätestens in den nächsten Jahren auf die Füße fallen.