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Einsteigen, bitte!
Der Fachkräftemangel in Deutschland betrifft viele Wirtschaftszweige, die Busbranche aber mit besonderer Härte. Laut dem Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fehlen bereits heute 20.000 Busfahrer:innen im ÖPNV. Bis 2030 wird sich diese Zahl fast verdreifachen. Denn mehr als die Hälfte des Fahrpersonals ist schon heute älter als 50 Jahre. Des angestrebte ÖPNV-Ausbau sowie Schienenersatzverkehre für die umfassenden Sanierungsvorhaben der Bahn schaffen einen zusätzlichen Bedarf an qualifizierten Fahrer:innen.
Schnellerer Einstieg
Um den Nachwuchs zu sichern, haben bdo und VDV im August ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht. Darin fordern sie das Bundesministerium für Digitales und Verkehr auf, die Einstiegshürden für den Beruf zu senken, indem der Erwerb des Busführerscheins und der Berufskraftfahrerqualifikation vereinfacht werden. bdo-Präsident Karl Hülsmann zieht den Vergleich zu Nachbarländern: „Während dieselbe Ausbildung in Österreich in weniger als 40 Stunden und für knapp 3.000 bis 4.000 Euro durchgeführt wird, müssen deutsche Busbetriebe mittlerweile bis zu 14.500 Euro veranschlagen. Wir benötigen dringend eine schlanke und effiziente Busfahrausbildung.“ VDV-Vizepräsident Werner Overkamp hält neben der Ausbildungsreform auch die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei der Dienstplangestaltung und mehr Teilzeitangeboten für wichtig. Zudem müssten Busfahrer:innen in der Öffentlichkeit mehr Anerkennung erfahren.
Wertschätzung und Anerkennung
Dass der Beruf sinnstiftend ist und die Person hinter dem Lenkrad eines Stadt- oder Reisebusses unseren Alltag ein Stück weit besser machen kann, stellt der Wettbewerb LieblingsbusfahrerIn heraus. In Kooperation suchen bdo, VDV und Deutsche Bahn (DB) Busfahrer:innen, die gute Laune verbreiten, besonders hilfsbereit sind oder echte Heldentaten begehen wie Jan Bziak aus Bielefeld, einer der Gewinner 2023. Er rettete einer Frau, die im Bus einen Zusammenbruch erlitt, durch gezielte Reanimation das Leben. Solche oder ähnliche Geschichten können Fahrgäste über ein Website-Formular einreichen.
Für Heinz Kiess, Leiter Produktmarketing Bus bei MAN Truck & Bus, könnte schon mit einem neuen Namen für den Berufsstand viel erreicht werden. In der sechsten Episode der fünften Staffel von BUS2Talk, die am 1.Oktober veröffentlicht wird, schlägt er vor, von Buspiloten zu sprechen, um dem Beruf ein höheres Prestige zu geben – wie einem Flugzeugpiloten. Abonnieren Sie jetzt den Podcast der BUS2BUS auf einer der gängigen Streaming-Plattformen, um diese und zukünftige Episoden nicht zu verpassen.
Recruiting via Social Media und KI
Einen anderen Ansatz verfolgt das 2019 gegründete Unternehmen 24MORE mit Sitz in Hamburg und Perleberg. Es erstellt für Verkehrsbetriebe und Bustouristiker authentische Imagekampagnen in Form von Fotos und Videos. Per KI-Algorithmus werden diese an potentielle Bewerber:innen auf Kanälen wie Facebook oder Instagram ausgespielt. „Die Stellenanzeige als Zeitungsannonce oder das Plakat sind überholt, vor allem wenn man junge Menschen erreichen möchte“, ist Geschäftsführer Philipp Falkenhagen überzeugt. „Wir sprechen künftige Busfahrer dort an, wo sie unterwegs sind, nämlich im Netz.“
Ganz wichtig ist seiner Meinung nach die gesellschaftliche und ökologische Relevanz des Busfahrerberufs in den Kampagnen zu unterstreichen. „Klimalenker statt Klimakleber“ lautete ein provokanter Slogan, mit dem 24MORE für einen Kunden über 30 Quereinsteiger:innen warb, die jetzt ihren Busführerschein machen.
Doch auch Wiedereinsteiger:innen können eine interessante Zielgruppe sein. Einige sind aufgrund der Bezahlung oder der Arbeitszeiten zum LKW gewechselt und können sich aufgrund eines attraktiven Angebots nun vorstellen zurückzukehren, ist die Erfahrung von Philipp Falkenhagen.
Damit die neu geworbenen Fachkräfte lange im Unternehmen bleiben, berät 24MORE auch zur Mitarbeiterbindung. Am besten ist es laut Philipp Falkenhagen, wenn der Chef selbst einen Führerschein der Klasse D und schon mal einen Bus gelenkt hat. Erfahrungsgemäß kann er sich dann am besten in die Belange seiner Mitarbeiter:innen hineinversetzen.
Ein vergleichbares Konzept fährt das Unternehmen AJency. Die beiden Gründer Ali El-Chami und Julian Flick stärken mit ihrenKampagnen die Arbeitgebermarke und setzen auf eine Omnipräsenz auf Social Media.
Die fortschreitende Digitalisierung macht sich auch das Startup Deutschkurs-Berufskraftfahrer.de zunutze. Es hat eine App entwickelt, die nicht nur berufsspezifische Sprachkenntnisse vermittelt, sondern auch Fachwissen. Nutzer:innen können damit unabhängig von Zeit und Ort lernen. Die mehr als 200 Übungen sind in fünf Lektionen unterteilt und interaktiv aufgebaut. Das erworbene Wissen trägt nicht nur zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr, sondern auch zur Bindung von Mitarbeiter:innen bei.