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Orientierung im digitalen Zeitalter: Die Zukunft der Navigation

Das klassische GPS Navigationssystem: Ein Auslaufmodell?

Seit jeher dienen Geo-Erkundungssatelliten zur Beobachtung und Vermessung der Erde – mittlerweile bilden sie die Grundlage für eine der maßgeblichsten technischen Neuerungen des 20. Jahrhunderts: Das Navigationssystem. Dabei ermöglicht das amerikanische Global Positioning System, kurz GPS, eine genaue Ortung entsprechender Empfänger und erleichtert damit nicht nur der Luft- und Schifffahrt, sondern via Auto-Navi und Smartphone auch Privatpersonen den Alltag.1

Entwickelt wurde das System vom US-Verteidigungsministerium, das bereits Ende der 1970er Jahre den ersten Satelliten ins All schoss. Vollständig einsatzfähig wurde das GPS allerdings erst im Jahr 1995. 24 Satelliten umkreisen seither in genau definierten Umlaufbahnen die Erdkugel. Zwar war das System ursprünglich nur zur Nutzung im militärischen Bereich vorgesehen, jedoch beschloss die amerikanische Regierung im Mai 2000 die Aufhebung der künstlichen Signalverschlechterung für zivile Zwecke und stellte das GPS damit weltweit öffentlich zur Verfügung.2

Doch wie genau funktioniert das Satellitensystem? Die Satelliten, die den Planeten mit einer Entfernung von über 20.000 Kilometern kontinuierlich umkreisen, senden permanent Signale Richtung Erde aus. Diese Signale werden von entsprechenden GPS-Empfängern, zum Beispiel in Autos oder Smartphones, empfangen. Das Navigationsgerät berechnet daraus die Laufzeit des Signals und damit die Entfernung zum jeweiligen Satelliten.

Ein einzelnes Satellitensignal reicht zur exakten Standortbestimmung jedoch nicht aus. Zur Ortung eines Empfängergeräts werden vier Signale benötigt, aus denen schließlich der genaue Standort des Gerätes errechnet wird. Durch Abgleich der sich stets aktualisierenden Standortdaten mit den auf dem Navigationsgerät gespeicherten digitalen Landkarten ist schließlich das Berechnen einer Route vom Standort zum gewünschten Ziel möglich.3

Mittlerweile gehört das GPS Navigationssystem bei Fahrzeugen aller Art zur technischen Standardausstattung und bildet die Grundlage reibungsloser Abläufe im Liefer- und Fernreiseverkehr sowie im ÖPNV. Doch die Entwicklung des globalen Satellitensystems ist noch nicht abgeschlossen. Das russische Verteidigungsministerium bietet schon seit einigen Jahren das Satellitensystem Glonass als Alternative zum amerikanischen Vorreiter und auch das Signal des chinesischen Systems Beidou kann bereits von vielen Mobilgeräten empfangen werden.4

Auch Europa feilt seit geraumer Zeit an den letzten Schliffen seiner GPS Alternative: Dem Navigationssystem Galileo. Erst am 27. Juli 2018 schoss eine Rakete vier weitere Satelliten ins All, womit nun insgesamt 26 Galileo-Satelliten um die Erde kreisen.5 Handyhersteller rüsten ihre Geräte laut Angaben des Galileo-Betreibers bereits mit entsprechenden Empfängern aus.

Bedeutet das das Ende der GPS Ära? Wohl kaum. Viel mehr kann die Standortgenauigkeit durch den parallelen Zugriff auf mehrere Satellitensysteme noch erheblich verbessert werden. Und gibt damit den Startschuss für zahlreiche weitere Innovationen im Bereich der Navigation.

Mapping – neue Formen der digitalen Orientierung

Nicht nur die technischen Anforderungen an Navigationssysteme steigen, auch ihr Anwendungsbereich weitet sich zunehmend aus. Stand vor einigen Jahren noch die einfache Navigation von Startpunkt A nach Ziel B im Vordergrund, rückt mit einer immer digitalisierteren und globalisierteren Mobilität der Vernetzungsgedanke stärker in den Fokus.

Mapping im globalen Netzwerk: What3Words

So brachte zum Beispiel das Londoner Startup What3Words6 mit seiner Gründung im Jahr 2013 erfolgreich ein gänzlich neues Konzept zur Georeferenzierung von Standorten auf den Markt: Das What3Words System teilt die ganze Welt in Quadrate von 3x3 Metern ein. Diese werden mit einer einmaligen Kombination aus drei Wörtern benannt. So steht die Spitze des Eiffelturms zum Beispiel im Quadrat „kaninchen.umgehen.suchen“, das Brandenburger Tor in „tapfer.gebäude.verliehen“.Der Gedanke dahinter: Der unmissverständliche Austausch von Standortkoordinaten weltweit. Denn die Drei-Wörter-Adressen sind mittlerweile in weit über 20 Sprachen verfügbar und ermöglichen so den Austausch von Standorten in der Muttersprache zahlreicher Nationen und damit auch die Orientierung an fremden Orten, völlig ohne Fremdsprachenkenntnisse.

Nicht nur Sehenswürdigkeiten und bereits bekannte Adressen können so leichter kommuniziert werden. Das Geocoding-System hilft auch dort, wo Straßen und Wohnhäuser gar nicht beschriftet sind. So führte zum Beispiel die mongolische Post zum 1. August 2018 das Drei-Wörter-System ein, um die Bevölkerung in der dünn besiedelten Region besser erreichen zu können.7

Mobile Community: Waze

Auch beim Smartphone-Navigationssystem Waze8 wird der Vernetzungsgedanke deutlich: Das System lässt den Straßenverkehr durch Echtzeitanalyse und Social Media-Features zur digitalen Community werden. Denn Verkehrsteilnehmer senden hier nicht nur automatisch Standort- und Geschwindigkeitsdaten an die App, sondern können manuell zusätzliche Informationen, zum Beispiel über plötzliche Verkehrshindernisse oder Preise an der angefahrenen Tankstelle, übermitteln. So entsteht eine interaktive Echtzeitkarte, in der der Nutzer sich sogar mit Freunden verknüpfen kann, zum Beispiel bei Fahrten zu einem gemeinsamen Ziel.

Effizienz durch Datenanalyse: Here

Dieses direkte Zusammenspiel von aktueller Verkehrslage und Wegführung wird durch Fortschritte in der technischen Entwicklung von Navigationssystemen immer weiter vorangetrieben. Denn wo der Standort einzelner Fahrzeuge bestimmt werden kann, kann die gesamte Verkehrssituation erfasst und analysiert werden.

So kündigte der Kartendienst Here, der seit dem Jahr 2015 in den Händen der Autokonzerne Audi, BMW und Daimler liegt9, 2017 beim Automobil Forum in München die Entwicklung einer umfassenden „digitalen Echtzeit-Datenbank“10 innerhalb der nächsten drei Jahre an. Das Konzept: Datamining in Echtzeit. Fahrzeuge mit dem verbauten System senden während der Fahrt permanent Daten an eine Cloud, die die Daten sammelt, auswertet und an die einzelnen Fahrzeuge zurückspielt. So sollen nicht nur Staus und Verkehrshindernisse, sondern auch freie Parkplätze in Echtzeit angezeigt werden können. Ein Potential, mit dem nicht nur der generelle Verkehrsfluss aktiv verbessert werden kann, auch der öffentliche Personenverkehr könnte von dem System profitieren.

Navigationssysteme im öffentlichen Personenverkehr

Innovative Ansätze wie die datengestützte Echtzeit-Navigation revolutionieren den Personen- und Reiseverkehr: Sie ermöglichen reibungslose und vor allem effizientere Abläufe im Nah- und Fernverkehr – eine Weiterentwicklung, die nicht nur den Verkehrsbetrieben und Busunternehmen, sondern auch den Fahrgästen zugutekommt.

Effizienteres Fahren: Spezielle Navigationssysteme für Busse

Während sich die Optimierung von Navigationssystemen in der Vergangenheit besonders auf ihre Nutzung im Privatverkehr bezog, so rücken mit der seit Jahren immer weiter steigenden Nachfrage im öffentlichen Personennahverkehr11 telematische Technologien auch dort zunehmend in den Fokus. Immer mehr Hersteller, darunter die führenden Unternehmen TomTom und Snooper, brachten daher in den vergangenen Jahren spezielle Navigationssysteme für Busse und LKWs auf den Markt und bieten damit Technologien, die auch dem öffentlicher Personenverkehr von großem Nutzen sein können. So ermöglichen sie unter anderem die Berechnung einer optimalen Route unter Berücksichtigung von Größe, Gewicht, Ladung und Maximalgeschwindigkeit12 des Kraftfahrzeugs und integrieren dabei sogar Sonderziele wie Raststätten oder Parkplätze in die Navigation. Vor allem für den Fernbusverkehr und andere Langstreckenverbindungen bedeutet das eine erhebliche Erleichterung in der Streckenkonzeption.

Effizientere Verkehrsplanung: Systeme fürs Fuhrparkmanagement

Auch das Fuhrparkmanagement von Verkehrsbetrieben kann durch den Einsatz speziell entwickelter Navigationstechnologien deutlich erleichtert werden. Dabei bildet die genaue und aktuelle Standortübertragung der einzelnen Betriebsfahrzeuge die Grundlage für eine flexible und effiziente Flottenplanung: Durch die zuverlässige Übertragung der Fahrzeugstandorte werden unvorhersehbare Verkehrshindernisse und damit einhergehende Verzögerungen frühzeitig erkannt und grobe Abweichungen vom Verkehrsplan können durch entsprechende Maßnahmen vermieden werden. Systeme wie das Programm „Webfleet“ des Marktführers TomTom13 bieten darüber hinaus ein dynamisches Kommunikationssystem, das eine Zwei-Wege-Kommunikation zwischen Fahrern und Management ermöglicht, sowie ein Reporting-System zur kontinuierlichen Optimierung des Fuhrparks.14

Effizientere Nutzung des öffentlichen Personenverkehrs: Barrierefreie Echtzeitnavigation für Fahrgäste

Von dem Einsatz moderner Navigationssysteme im öffentlichen Personennahverkehr können wie beschrieben nicht zuletzt auch die Fahrgäste erheblich profitieren. Bereits jetzt ist der ÖPNV in gängigen Navigations- und Mapping-Apps wie HERE Maps oder GoogleMaps integriert, letztere nahm Anfang 2017 sogar die Verbindungen des Fernbus-Anbieters Flixbus in den Dienst auf.15

Doch die Zukunft der Navigation verspricht mehr als einen reinen Informationsservice:
Verbinden sich die in Fahrzeugen des öffentlichen Personenverkehrs verbauten Technologien nämlich mit entsprechenden Apps auf den Smartphones der potentiellen Fahrgäste, kann eine Echtzeit-Kommunikation zwischen Nutzern und den öffentlichen Verkehrsmitteln ermöglicht werden. So testet beispielsweise das Projekt „Bus verbindet – Einfach mobil“ der RegionalverkehrRuhr-Lippe GmbH derzeit die Anwendung eines Systems, welches dem Fahrgast an Haltestellen, an denen mehrere Verkehrsmittel halten (Mehrfachhaltestellen) ermöglicht, einen Haltewunsch auszulösen und bei Bedarf sogar eine Einstiegshilfe anzufordern. Das kommt vor allem der Forderung des Gesetzgebers entgegen, den ÖPNV bis zum Jahr 2022 vollständig barrierefrei zu gestalten.16

Jenseits von GPS: Indoor-Orientierung

Eine weitere grundlegende Neuerung in der Navigationstechnik: Indoor-Navigationssysteme. Sie ermöglichen die Orientierung innerhalb geschlossener Gebäude, wie Lager- oder Messehallen, Bahnhöfe oder Flughäfen und sind damit der satellitengestützten GPS-Ortung einen deutlichen Schritt voraus. Für den öffentlichen Personenverkehrs kann das einen großen Fortschritt in der Fahrgastnavigation bedeuten: Mit entsprechenden Apps können Fahrgäste während ihrer Reise zum richtigen Gleis, Anschlusszug, Bahnhofsausgang oder Infopoint navigiert werden.

Indoor-Navigation mit der Beacon-Technologie

Für die technische Umsetzung der Indoor-Navigation werden derzeit mehrere Techniken genutzt, die eine Standortermittlung innerhalb geschlossener Räume ermöglichen sollen. Das Startup Inabe nutzt beispielsweise die Beacon-Technologie, die auf Basis des BluetoothLowEnergy-Standards funktioniert. Dabei werden in dem zu erschließenden Gebäude kleine Sender, die sogenanntenBeacons, platziert, und senden über die energiesparendeBluetooth-Verbindung permanent Daten an entsprechende Endgeräte aus.17 Die dadurch ermöglichte Wegführung im Innenbereich, die bei Inabe über eine entsprechende App funktioniert, ist dabei nicht nur an Knotenpunkten des ÖPNV, sondern auch im Einzelhandel von Nutzen. Durch die anonymisierte Auswertung der über die App aufgezeichneten Bewegungsprofile bietet Inabe vor allem hier die attraktive Möglichkeit, Rückschlüsse auf das Kauf- und Entscheidungsverhalten potentieller Kunden zu ziehen.18

Indoor-Navigation per Ultraschall

Einen deutlich seltener verbreiteten technischen Ansatz vertritt das Freiburger Unternehmen Telocate. Sein Navigationssystem orientiert sich per Ultraschall, genauer: Über akustische Signale außerhalb des menschlichen Hörbereichs, die via Smartphone-App an die Umgebung ausgesendet werden. Empfangen werden sie von an Gebäudedecken angebrachten Empfängern, die anhand der Empfangszeitpunkte den Standort des Senders bestimmen. Die Signale werden dann mit dem in der App geladenen Gebäudeplan synchronisiert und ermöglichen so eine bis zu 20 Zentimeter genaue Navigation.19 Durch die hohe Standortgenauigkeit ist der Einsatz des Systems nicht nur in öffentlichen Verwaltungs- oder Verkehrsgebäuden denkbar, auch im Einzelhandel bietet es eine zuverlässige Navigation zur gewünschten Abteilung oder sogar zu einem bestimmten Produkt.

Indoor-Navigation mit Augmented Reality

Eine besondere Navigationserfahrung für den Nutzer bietet auch die Indoor-Navigation mittels AugmentedReality, also einer „erweiterten Realität“ über das Smartphone. Das Live-Bild der Handykamera wird dabei basierend auf vorher eingespeisten Bilderkennungspunkten durch Zusatzinformationen ergänzt. Das können zum Beispiel Navigationshinweise oder wissenswerte Fakten zu umliegenden Anlaufpunkten sein. Eine Herangehensweise, die nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Unternehmen attraktiv ist: So könnten in großen Lagerbetrieben beispielsweise Sicherheitshinweise oder Demonstrationsvideos für Mitarbeiter an entsprechenden Stationen bereitgestellt werden.

Die Rolle von Navigationssystemen in der Mobilität der Zukunft

Fakt ist: Die Geschichte der Navigation ist noch lange nicht zu Ende geschrieben – im Gegenteil. Sie gewinnt durch die zunehmende Digitalisierung der Marktwirtschaft und der Mobilität immer mehr an Bedeutung. Besonders die Zukunft des Personenverkehrs kann damit völlig neu gedacht werden.

Autonomes Fahren: Was muss das Navigationssystem der Zukunft können?

Mit dem stetigen Voranschreiten in der Entwicklung selbstständig agierender Fahrsysteme werden Navigationssysteme immer wichtiger, beim autonomen Fahren spielen sie eine entscheidende Rolle. Denn wo die Fahrt zum Ziel ganz ohne menschliches Zutun geschehen soll, muss das Navigationssystem unfehlbar sein. Diverse Hersteller forschen derzeit deshalb bereits an Navigationslösungen für die vollständige Automatisierung des Straßenverkehrs, die mittlerweile längst keine utopische Zukunftsmusik mehr ist. So kündigte TomTom an, sich in Zukunft noch stärker auf die Entwicklung von HD-Karten für das autonome Fahren zu fokussieren. Das Unternehmen will die neuen Technologien noch im Jahr 2018 mit automatisierten LKWs im Straßenverkehr testen.20 Einen gänzlich neuen Ansatz bietet zum Beispiel das Startup Wayve: Das britische Unternehmen hat sich auf künstliche Intelligenz spezialisiert und verzichtet auf den Einsatz aufwendiger 3D-Karten und bildet das autonome Fahrzeug durch ein auf TrialandError basierendes Belohnungssystem, das sogenannte ReinforcementLearning, zum zuverlässigen Navigator aus. 21

Smart Way Navigation: Die vernetzte Mobilität der Zukunft

Ob Hersteller von Navigationssystemen mit Automobilkonzernen, Automobilkonzerne mit Verkehrsbetrieben, oder Betriebe des ÖPNV mit anderen Mobility-Dienstleistern kooperieren – sie alle weisen auf die gleiche Entwicklung hin: Die Mobilität der Zukunft ist vernetzt. Es geht nicht mehr um die eine Lösung für einen digitalen, effizienten und umweltbewussten Straßenverkehr, sondern um einen Weg, alle innovativen Lösungsansätze zu einem optimierten mobilen Netzwerk zu vereinen.

Das bedeutet, dass sich Navigationstechnologien schon lange nicht mehr nur auf den privaten Personenverkehr beziehen. Ihr Anwendungsbereich beschränkt sich nicht einmal mehr auf den Personenverkehr im Generellen. Navigation findet dort statt, wo Wege bewältigt werden und Ziele erreicht werden müssen. So zum Beispiel auch bei Dienstleistungsanbietern wie Lieferdiensten oder Speditionen: Here arbeitet seit Ende 2017 an einer Tracking-Lösung, die nicht nur den Standort der Lieferfahrzeuge, sondern die Position der einzelnen transportierten Objekte verfolgt.22

Hier deutet sich ein weiterer zentraler Aspekt an: Das Navigationssystem der Zukunft vernetzt nicht nur mobile Dienstleister untereinander, es verknüpft auch und vor allem den individuellen User mit seiner digitalisierten Umwelt. Und bleibt damit, was es gewissermaßen schon immer gewesen ist: Das entscheidende Hilfsmittel zur Orientierung in einer schnelllebigen Zeit.

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